
1. Tiel
In dieser zweiteiligen Blogserie sprechen wir mit der Wildnisführerin und TV-Moderatorin Megan Hine über die Grundelemente zum Überleben in der Wildnis, auch „Bushcraft“ genannt. Nach ihrem Abschluss in „Outdoor-Studies“, begann Megan Unterricht zum Thema Bushcraft im Vereinigten Königreich zu geben und sie leitete ebenfalls für mehrere Jahre internationale Expeditionen, bevor sie Beraterin für TV-Abenteuershows wurde. Heute konzentriert sich Megan hauptsächlich darauf, geeignete Locations in der Wildnis zu finden und die Sicherheit der Crew zu Beginn der Dreharbeiten zu gewährleisten.

„Mir macht es wahnsinnig Spaß, meine Bushcraft-Fertigkeiten und -Kenntnisse mit anderen dynamischen Outdoor-Skills zu verbinden.”
Mit der richtigen Ausrüstung ist es viel einfacher, in jeder Umgebung zu bestehen – leider hat man die nicht immer dabei. Die fünf Grundelemente von Dave Canterbury sind jedoch ein guter Anhaltspunkt.
Diese fünf Grundelemente sind im Wesentlichen:
- Feuermachen
- Werkzeuge zum Schneiden
- Schutz
- Behälter
- Tauwerk
Alle diese fünf Grundelemente gehören zur Ausstattung eines jeden Survival-Kits, um in der Wildnis zu überleben. Sie sind aber auch beim Wildcampen und auf Expeditionen im Allgemeinen sehr wichtig. Ich würde noch ein sechstes Grundelement hinzufügen, nämlich Konzentration.

1. FEUERMACHEN

Feuer!
Wir alle haben eine Beziehung zu diesem Element. Sie unterscheidet uns vom restlichen Tierreich und hat es uns ermöglicht, die Welt um uns herum zu gestalten, wie sie heute ist. Vom Industrie- bis hin zum digitalen Zeitalter ist die moderne Welt zum großen Teil auf unsere Fähigkeit zurückzuführen, Feuer zu kontrollieren.
Für unsere Vorfahren wie auch für uns heute findet Feuer viele verschiedene Anwendungen. Es hält Insekten und wilde Tiere fern, macht Fleisch bekömmlich, tötet Mikroben im Wasser ab und spendet uns Wärme. Viele von uns empfinden das heute als ganz selbstverständlich.
Bushcraft-Techniken sind meistens sehr zeitaufwendig, ich muss also vorbereitet sein. Ich suche laufend nach natürlichen Materialien, die als Zunder dienen können. Dafür müssen sie ähnliche Eigenschaften wie Baumwolle aufweisen: Einige Blütenkörbe erfüllen diese Ansprüche, ansonsten nehme ich ein Büschel trockenes Gras und Rinde und stecke es in meine Hosentasche, um es vollständig auszutrocknen.
Aber was macht man, wenn man nichts zum Anzünden dabeihat?
Zunächst einmal ist es hilfreich, das so genannte Verbrennungsdreieck zu verstehen. Ein brennbarer Stoff, Hitze und Sauerstoff sind die drei Bedingungen, die zusammentreffen müssen, damit ein Feuer entsteht. Wenn die Flamme ständig erlischt, solltest du überlegen, welches dieser drei Elemente unausgeglichen ist. Außerdem ist es nützlich, das Feuermachen unter verschiedensten Bedingungen vorher zu üben und immer zwei unterschiedliche Werkzeuge zum Anzünden für das entsprechende Umfeld mitzunehmen. Ein Feuerzeug und chemische Anzünder sind in den meisten Fällen genau richtig. Als Backup eignet sich ein Magnesiumstab, den ich persönlich am häufigsten verwende, einfach um in Übung zu bleiben. Und für den Fall, dass du einmal nichts zum Anzünden dabeihast, solltest du auch wissen – und bestenfalls vorher üben – wie man ein Feuer durch Reibung entfacht.
Dieses Erfolgsgefühl, wenn man das erste Mal ganz aus natürlichen Materialien ein Feuer durch Reibung erzeugt, ist einfach unbeschreiblich. Noch heute durchströmt mich jedes Mal aufs Neue ein riesiges Glücksgefühl, wenn ich Feuer mache, egal, mit welcher Methode.
2. WERKZEUGE ZUM SCHNEIDEN

Für jeden Einsatz das richtige Werkzeug
Ok ich gebe es zu – ich liebe Messer und habe eine ziemlich große Kollektion aus Messern, Macheten, Sägen und Äxten. Aber sie sehen nicht nur gut aus, sondern erfüllen auch ihren Zweck. Das beste Werkzeug für eine bestimmte Umgebung ist für gewöhnlich das, was die Einwohner benutzen, das gilt insbesondere für Macheten. Die Form ist ausschlaggebend: In Gegenden, in denen vorwiegend Bambus wächst, sehen die Macheten der Einwohner anders aus als jene der Einwohner aus Gebieten mit vielen verschlungenen Ranken.
Der bevorzugte Stahl hängt von der Umgebung ab, in der ich mich befinde. Ich liebe Carbonstahl, allerdings ist er nicht für heiße, feuchte Umgebungen oder Küstenregionen geeignet, wo er nass wird und rostet. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass Carbonstahl in diesen Umgebungen sehr pflegebedürftig ist, um funktionsfähig zu bleiben. Messerschleifen hat zwar etwas sehr Befreiendes, aber ich muss meine Konzentration in der Wildnis anderweitig einsetzen. Meine Ausrüstung darf daher nur minimale Pflege in Anspruch nehmen.
Warum ist ein Messer so wichtig?
Mit einem guten Messer kann man die vier anderen Grundelemente schaffen. Ich entscheide mich daher immer für ein Messer, mit dem ich eine Vielzahl an Arbeiten durchführen kann, vom Zuschneiden von Holzleisten bis zum Spalten von Scheiten – ein richtiges Allzweckwerkzeug eben. Für gewöhnlich nehme ich noch ein kleineres Messer für feinere Arbeiten mit.
Was ist, wenn ich kein Messer dabeihabe?
Eine Klinge aus dem Stegreif herzustellen kann ganz schön schwierig sein, wenn man nicht das passende Material findet. Feuerstein oder Obsidian sind ideal. Daraus kann man simple Querbeile, Äxte oder Messer herstellen. Wenn man keine dieser beiden Materialien findet, kann auch ein sehr harter Stein Abhilfe schaffen, um simple Schneidwerkzeuge zu fertigen.
3. SCHUTZ

Unsere erste Schutzschicht ist für mich die Haut. Sie ist ein unglaubliches Organ mit beeindruckend durchdachten Schutzfunktionen: Sie ist wasserdicht, sie produziert Melanin, das uns vor der Sonne schützt, sie hilft dem Körper, die Temperatur zu regulieren und trägt zur Vorbeugung und Bekämpfung von Infektionen bei.
Aber was ist, wenn man mitten in der Wildnis von der Nacht überrascht wird und weder Zelt noch Hängematte, Plane oder sonstigen Schutz dabeihat?
Dann hilft nur eins: improvisieren. Stell dir zuerst die Frage, vor was genau du Schutz suchst. Einen Unterschlupf aus natürlichen Materialien zu bauen, weil du kein Tarp hast, kann mühsam und zeitaufwendig sein. Dabei brauchst du vielleicht eigentlich nur ein Feuer.
Bist du allerdings im Dschungel unterwegs, ist es sicherlich von Vorteil, dein Nachtlager regengeschützt und nicht direkt auf dem Boden, in Sicherheit vor unheimlichen Krabbeltieren, einzurichten. Wenn ich nur mit meiner Machete ausgerüstet im Dschungel übernachten muss, dann baue ich mir immer eine rudimentäre Plattform. Da die Bäume in dieser Umgebung ums Licht kämpfen, wachsen sie sehr schnell. Deshalb gibt es dort viele junge, gerade gewachsene Bäume, die man gut verwenden kann. Bananenblätter, aber auch Schilf- oder Grasbündel eignen sich hervorragend als Dach.
In der Wüste steigen die Temperaturen tagsüber für gewöhnlich stark an, nachts hingegen wird es sehr kalt. Während am Tag also der Schutz vor der Sonne an erster Stelle steht, sollte dir dein Nachtlager Wärme und – je nachdem, wo du bist – auch Sicherheit vor wilden Tieren bieten.
Wenn es um den Standort für deinen Unterschlupf geht, dann merke dir vor allem folgendes Mantra, das mir schon in den verschiedensten Situationen nützlich war: ein Blick nach oben, ein Blick nach unten, ein Blick um 360 Grad.
Beim Blick nach oben schaue ich nach allem, was mir möglicherweise auf den Kopf fallen könnte, einschließlich der Wolken, die schlechtes Wetter prophezeien. Beim Blick nach unten suche ich nach möglichen Löchern von Insekten, Spuren von Tieren sowie Wasserflecken auf Ästen und Gegenständen wie Kokosnüsse, die sich vielleicht über mir verstecken. Wasserflecken zeigen, bis auf welche Höhe ein Fluss ansteigt oder wie das Wasser bei Regen durch das Gebiet geleitet wird. Auch auf unebenen Untergrund solltest du achten, denn wer möchte schon unbequem liegen. Beim 360-Grad-Blick suchst du nach bestehenden Wegen oder Tierpfaden, die deinen Schlafplatz durchqueren. Dazu gehören Ameisen genauso wie Elefanten und alle anderen wilden Tiere, aber auch sonstige Gefahren.